Drachenstarke Abenteuer Kapitel 6

Bereit zum Kampf hebe ich meinen Speer und direkt vor mir steht ein Berg von einem Mann. Verunsichert trete ich einen Schritt zur Seite und stolpere dabei über die Leiche eines Räubers, den Milyana eben getötet haben muss. Ich falle kopfüber auf die Lichtung und rolle mich weg bevor ich mir den Kopf anhauen kann, verliere dabei jedoch meinen Speer. Das darf doch nicht wahr sein, nicht schon wieder. Da sehe ich in der Sonne eine kleine eiserne Klinge blitzen. Ich schnappe mir das Messer und springe auf die Füße. Das Schwert des Angreifers zielt auf meinen Bauch. Ich hechte zur Seite und fuchtele wild mit dem Messer, doch mein Gegner zuckt nicht einmal. Es ist wohl mehr als offensichtlich, dass ich vollkommen ahnungslos bin, und die Reichweite seines Schwertes übertrifft die meines Messers sowieso um eine Armlänge. Ich weiche einem weiteren Schwerthieb aus. Irgendwann wird er mich erwischen. Und dann…
Als ich panisch zu Milyana hinüberblicke, sehe ich, wie sie ihr Schwert aus der Brust eines grauhaarigen Räubers zieht. Sie ist mit ihrer Hälfte des Schlachtfeldes viel weiter und schafft mir somit meine Gegner aus dem Weg. Niemand hier traut mir zu auch nur gegen diesen einen zu bestehen. Da liegen sie eigentlich auch gar nicht so falsch. Sie kommt gut ohne mich klar und ich fühle eine Welle der Erleichterung. In diesem Moment stürzt sich mein Gegner mit lautem Gebrüll auf mich, sein Schwert, das er mit beiden Händen umfasst hält, saust auf mich nieder und wird mich gleich wie ein Schwein aufschlitzen. Irgendetwas – von dem ich nicht weiß wie ich es benennen soll, regt sich in mir. Ich schreie herausfordernd, mein Körper bewegt sich aus eigener Willenskraft. Sein Schwert zischt an der Stelle, wo ich Augenblicke zuvor noch gestanden hatte, durch die Luft. Mein Messer blitzt zweimal auf. Auf seiner Brust erscheinen zwei sich kreuzende Blutspuren, genau über dem Herzen. Er taumelt rückwärts und tritt dabei in eine am Boden liegende Klinge. Ein Schmerzensschrei dringt aus seiner Kehle. Das Schwert noch immer umklammert, fällt er auf die Knie. Ich schnappe mir einen Stein vom Boden und lasse ihn auf den Schädel des Räubers niedersausen. Einmal. Zweimal. Beim dritten Mal verdreht der Räuber die Augen, sein Schwert fällt ihm aus der Hand und er sackt auf die Erde. Ich stehe keuchend über ihm. Das war ein harter Kampf, ein schwerer Kampf doch ich habe gewonnen und mich für den ersten Alleingang gut geschlagen. Aber ich habe keine Zeit zum Ausruhen, denn da wartet noch ein gutes Dutzend, das einfach nicht locker lassen will.
Auf einmal steht Milyana mit blutverschmierter Klinge neben mir und drückt mir den Speer in die Hand den ich eben verloren hatte.
„Pass dieses Mal besser darauf auf, ja?“ Auch sie ist erschöpft vom Kampf, aber sie will es nicht zeigen und wendet den Blick von mir ab, richtet ihn starr au die Meute.
„Ja, ich versuch´s!“ Und Seite an Seite stürzen wir uns in die zweite Runde.
Zwischen ausweichen, austeilen und dem Lauschen nach Todesschreien rufe ich ihr zu: „Wo ist eigentlich dein Drache?“
„Ich habe ihn losgeschickt nach unseren Eltern suchen. Und deiner?“, fragt sie als sie sich unter einem Schwerthieb hindurchduckt. „Legt sich mit unsern neuen Freunden am Dorfrand an“ Wir sind beide zu erschöpft, lange halten wir dieses hin und her nicht mehr aus. Die Räuber kommen immer näher und versuchen uns voneinander zu trennen. Während sich Sieben um Milyana versammeln, sehe ich drei Weiteren in die Augen. Während ich es schaffe den ersten beiden hieben auszuweichen, erwischt mich die dritte Klinge an der Seite und bohrt sich hinten durch meinen Umhang. Ich erdrücke einen Schrei, diese Genugtuung gebe ich ihm nicht.
„Na du Kakerlake? Tat das noch nicht genug weh? Das kann ich ändern, glaub mir.“ Er meint es todernst und wenn es das letzte ist was er tut.
„Birkin, Crinn. Kümmert euch um die andere. Mit der werde ich fertig!“
„Jawohl Chef“, antworten diese im Sprechchor und verschwinden um meine Schwester zum Kampf aufzufordern.
„Wagt …. Wagt es nicht ihr etwas anzutun“, meine Stimme zittert, ist nicht mehr als ein Flüstern, trotzdem versuche ich ihnen zu folgen, sie aufzuhalten. Aber der Anführer der Bande stellt sich mir in den Weg.
„Wo wolltest du denn hin? Du und das andere Drecksgör habt einen Haufen meiner Männer auf dem Gewissen. Ihr seid gut, oder … sie ist gut. Aber an mich kommt ihr nicht ran. Und wenn ich sie nur verletzen kann, wenn ich dich verletze soll es mir recht sein. Ihr werdet für das Büßen, was ihr getan habt. Ihr alle beide. Und du hast die Ehre die Erste zu sein. Außerdem macht das Kämpfen doch viel mehr Spaß, wenn der Gegner danach nichts mehr zu verlieren hat. ” Langsam weiche ich zurück. Ich bin erschöpft und verletzt, diesen Kampf kann ich nicht mehr gewinnen.
„Wo willst du denn hin?“, schreit er und folgt mir. Er spielt mit mir, mit meiner Angst. „Stell dich diesem Kampf, wie ein wahrer Krieger. Ich töte dich so oder so. Aber ich lasse dir die Wahl. Sterbe als Feigling bei dem Versuch zu fliehen oder stelle dich mir. Stirb ehrenvoll im Kampf, wie eine wahre Kriegerin deines Stammes. Das bist du doch, oder etwa nicht?“ „Nein“, keuche ich. „Ich bin kein Krieger.“ „Du hast eben einen meiner besten Männer, mit einem Spielzeugmesser getötet und bist nicht mal eine Kriegerin? Na ganz toll… Gute Räuber sind heutzutage so schwer zu finden…. Du weißt aber das ich dich trotzdem töten werde, oder? Ich meine, das ist eine Sache des Prinzips.“
In der Hoffnung ihm doch entkommen zu können, weiche ich weiter zurück. Schritt für Schritt, immer weiter, stolpere jedoch über eine am Boden liegende Leiche und gehe zu Boden. Blitzschnell ist der Anführer der Banditen bei mir und stellt seinen Fuß auf meine Brust, lässt mich nicht aufstehen. Er ist zu schwer, ich bin zu schwach um ihn wegzuschieben oder mich dagegen zu stemmen.
„Normalerweise, würde ich dich Kämpfen lassen, aber ich hab die Nase voll. Ich werde dich töten, hier und jetzt. Und ich verspreche dir einen qualvollen Tod.“
Er führt sein Schwert an den Schnitt an meiner Seite und reibt die Klinge hinein, vergrößert die Wunde, Millimeter für Millimeter. Er wartet nur darauf, meine Schreie zu hören. Doch ich beiße die Zähne zusammen. Das kann er vergessen. Ich werde nicht um mein Leben betteln oder um Gnade winseln. Wenn ich sterbe, dann mit Stolz. Nur er scheint seine Geduld zu verlieren. Brutal zieht er sein Schwert aus meinem Körper und schiebt es in seine Scheide. „Na los, schrei für mich!“
Verbissen schüttele ich den Kopf: „Vergiss es!“ Er beugt sich zu mir herunter und ich spucke ihm mitten ins Gesicht. Ich gebe mich nicht geschlagen, auch wenn ich nicht mehr tun kann. Wutentbrannt schlägt er zu und sein einziges Ziel ist der mittlerweile überhaupt nicht mehr harmlose Schnitt. Aber ich schreie nicht. Niemals. Doch auch er gibt sich nicht geschlagen, legt jetzt seinen Stiefel an. „Winsle um Gnade oder ich trete zu“
Alles was ich noch herausbringen kann ist: „Niemals!“ Als nächstes spüre ich einen immer größer werdenden Druck auf der Seite und ein Schmerz, heißer als tausende Sonnen brennend, schießt durch meinen Körper. Plötzlich verdunkelt sich die Welt und ich sehe Polarlicht über uns schweben. Ich öffne den Mund und sehe ein dreckiges Grinsen auf dem Gesicht meines Peinigers. Er glaubt er hätte gewonnen und verringert den Druck. Der Brand ebbt langsam ab. „Bevor du mich tötest, solltest du eines wissen“, meine Stimme ist nicht mehr als ein leiser Hauch. „Ich bin kein Krieger, ich bin ein Drachenreiter. Ein Drachentrainer!“
„Was?“, erschrocken dreht er sich um und schreit. Mein Drache holt aus und lässt ihn über den halben Dorfplatz fliegen bevor er gegen einen großen Stein prallt und leblos zusammensackt. Erleichtert atme ich auf, bin aber unfähig aufzustehen.
Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, da höre ich Milyana meinen Namen rufen. Sie hat es geschafft und sie scheint wohl auf zu sein. Aber sie darf nicht sehen dass ich verletzt bin. Dann fällt sie komplett in einen Blutrausch. Außerdem muss sie sich keine Sorgen machen, wir haben wichtigeres zu tun. Keine Sekunde zu früh stehe ich auf und ziehe mein Fell über die Wunde um sie zu verdecken.
„Da bist du ja. Alles in Ordnung?“
„Alles ok“, ich ringe mich zu einem Lächeln durch. „Polarlicht hat mich gerettet“
Auch sie lächelt. Sie glaubt mir. „Na los, komm. Windreiter hat unsere Eltern gefunden. Es geht ihnen gut. Aber wahrscheinlich nicht mehr sehr lange. Der Anführer ist tot und seine Anhänger wollen Rache. Es werden immer mehr. Unten am Fluss ankert eine ganze Flotte. Sie werden nicht aufgeben. Ohne genug Waffen oder Kämpfer können wir sie auch nicht vertreiben. Also müssen wir fliehen!“ Schon läuft sie los und ich hinterher. Den stechenden Schmerz und meine schwindenden Kräfte durch den Blutverlust ignoriere ich einfach. Unsere Eltern haben sich in einer Hütte verschanzt und wir fallen ihnen um den Hals als wir sie sehen.
„Ihr lebt“, Mutter fängt vor Erleichterung an zu weinen.
Die Miene meines Vaters verhärtet sich. „Was tut ihr denn noch hier? Ihr müsst fliehen!“ Erschrocken sehe ich ihn an. „Wir gehen nicht ohne euch!“
Ich spüre Milyanas stillen Protest und ihre Unterstützung und fühle mich noch stärker.
„Doch, Njura. Ihr werdet gehen. Ihr habt die Drachen, sie bringen euch fort. Sie werden euch beschützen. Wir kommen hier nicht mehr weg. Wir können hier auch nicht weg. Ein Oberhaupt schützt die seinen. Das hab ich euch oft genug versucht beizubringen.“
Auch ich fange nun an zu weinen. „Aber Vater“, schluchze ich. „Ich will euch nicht verlassen!“
„Ihr seid die Einzigen die noch eine Chance haben. Fangt irgendwo ein neues Leben an. Werdet glücklich. Ihr schafft es allein. Euer Leben ist noch lange nicht vorbei. Und Milyana.“
„Ja?“
„Bleib bei deiner Schwester. Beschütze sie, liebe sie. Und sorge dafür das sie nie wieder weinen muss.“
Mit resignierter Stimme antwortet sie: „Ja Vater. Ich verspreche es.“
Sie hat es akzeptiert. Hat verstanden was er meint, warum sie nicht mitkommen können. Aber ich nicht. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Mein Vater beugt sich zu mir herunter und wischt mir die Tränen aus dem Gesicht. „Eines Tages wirst du es alles hier verstehen. Und jetzt geht. Aber kommt nicht mehr zurück.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und richtet sich auf.
„Versprecht es mir. Kommt nie wieder hierher zurück!“
Ich protestiere immer weiter: „Nein!“
„Njura“, seufzt Milyana.
„Nein. Wenn du alles aufgeben willst, bitte. Aber ich nicht.“
Milyana gibt nach. „Ich verspreche es, Vater. Ich gebe dir mein Wort.“
Wütend schreie ich sie an: „Wie kannst du nur?“
Milyana packt mich am Arm und zieht mich aus der Hütte, ich will mich
losreißen, aber ich bin zu schwach. Sie setzt mich auf meinen Drachen und bedeutet ihm loszufliegen. Das lässt Polarlicht sich nicht zweimal sagen und hebt ab. Ich versuche sie zum Umkehren, zum Landen zu bewegen aber sie lässt nicht mit sich reden. Milyana und Windreiter folgen uns. Stillschweigend fliegen wir zu einer der Nachbarinseln. Wir landen und werfen einen letzten Blick auf das Leben das wir gehabt haben. Flammen steigen gen Himmel und Kantia versinkt im Rauch. Wir können nie wieder zurück. Es fühlt sich so an als wäre dieser Tag erst vor Sekunden aufgewacht, als hätte er gerade erst begonnen.
Doch ein paar Sekunden waren lang genug, um zu erkennen, wie eine Welt einstürzen kann.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Drachenstarke Abenteuer Kapitel 4

Warum Kai den Muffin stahl

Drachenstarke Abenteuer Kapitel 2