Drachenstarke Abenteuer Kapitel 2

 Ich liebe es zu fliegen. Das Gefühl der Freiheit, der Rausch der Geschwindigkeit und das ehrgeizige Gesicht meiner Schwester wenn wir wieder mal ein Rennen fliegen und sie versucht mich einzuholen. Aber am Ende verliert sie trotzdem.
Lachend drehe ich mich um und will sie noch ein wenig anstacheln “komm schon Milya….” , aber sie ist gar nicht mehr hinter mir. Ich sehe nur noch Windreiter oben aus dem Blätterdach brechen und wieder Geschwindigkeit aufnehmen.
Ich fasse es nicht. Das erste Mal seit ich denken kann wo sie ihrem Ehrgeiz nicht gleich nachgibt. Scheinbar funktioniert das Nachdenken bei ihr ja doch, aber das heißt noch lange nicht das ihr das gewinnen so einfach mache.
„Na los, meine Süße. Das können wir auch” Und schon schießt Polarlicht mit einem Affenzahn hoch, raus aus dem Wald. Milyana hat jetzt vielleicht einen Vorsprung, aber mein Drache ist trotzdem schneller. Zwar stachele ich sie an wenn wir wieder in irgendeinem Wettstreit, meistens in einem Drachenrennen, stecken aber das heißt ja noch lange nicht dass ich nicht gewinnen will.
Es dauert auch nicht sonderlich lange und ich hab sie wieder eingeholt. Neben ihr lasse ich Polarlicht langsamer fliegen und ich necke sie lachend: „Netter Versuch! Ging nur leider nach hinten los”
Und mit diesen Worten beschleunigen wir wieder und lassen meine Schwester und ihren Drachen hinter uns zurück. Und das keinen Augenblick zu früh, denn auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hab ich keine Lust und unser Ziel liegt schon hinter nächsten der Hügelkette.
Mit einem erleichterten Seufzen lasse ich Polarlicht landen und streichle ihr den Kopf.
„Gut geflogen“, lobe ich sie. „Mal sehen was die andern zwei gleich sagen”
Ich steige aus dem Sattel und lehne mich genugtuend gegen den Hals meines Drachens als auch schon Windreiter hinter dem Hügelkamm auftaucht. Ich sehe Milyanas Gesicht schon vor mir, wie sie sich wieder schwarz ärgert. Vor allem weil sie einem Sieg noch nie so nah war wie heute.
Mit den Worten „Sag nichts und wisch dir bloß dein dämliches Grinsen aus dem Gesicht” steigt auch sie aus dem Sattel.
Sie ärgert sich wirklich zu Tode, da kann ich sie gar nicht weiter aufziehen. „Ach komm. Du hättest mich heute fast geschlagen.”
„Eben. Aber nur fast. Wie schaffst du es eigentlich mich immer zu schlagen? Ich kapier es nicht.”
„Jetzt hör doch auf dich zu ärgern. Das bringt jetzt nichts mehr. Einfach mehr üben.”
Mit einem Augenzwinkern drehe ich mich um und will wieder auf meinen Drachen steigen als Milyana mich zurückhält. „Warte. Wo willst du hin?”
„Nach Hause. Mutter hat dir doch bestimmt gesagt das du mir ausrichten sollst es bloß nicht zu wagen morgens früh nochmal ohne was zu essen aus dem Fenster zu verschwinden, oder?”
„Ja schon, aber….”
„Außerdem hab ich langsam wirklich Hunger. Komm schon, lass uns losfliegen.”
„Hier, fang” ruft sie mir zu und ich drehe mich gerade noch rechtzeitig um damit ich das Brot fangen kann dass sie mir zugeworfen hat.
„Ich hab mir schon gedacht dass du was zu essen vertragen könntest wenn wir hier ankommen”
Verdutzt sehr ich sie an. „Milyana…. Was hast du denn heute vor?”
„Erstmal essen wir was bevor du mir noch umkippst und danach trainieren wir.”
„Drachentraining?“ hoffnungsvoll sehe ich sie an.
„Nö, Kampftechniken. Ich hab ein paar Waffen dabei.”
Und das war´s mit der Hoffnung. Ich kann vielleicht besser mit Drachen als meine Schwester, aber sie ist die bessere Kämpferin. Ohne Polarlicht wäre ich aufgeschmissen. Als meine Mutter vor 15 Jahren mit mir schwanger war, wurde unser Dorf von einer Krankheit heimgesucht von der auch sie nicht verschont blieb. Es war ein Wunder das sie mich gebären konnte ohne ihr Leben zu verlieren. Ich war viel zu klein, zu leicht und hätte den ersten Winter eigentlich nicht überleben dürfen, aber ich habe mich irgendwie durchgebissen. Ich bin immer noch schwächer, schmächtiger als andere in meinem Alter und aus genau diesem Grund hat mein Vater auch nur Milyana im Kampf trainiert. Ich bin sein kleines Mädchen, er will mich immer noch beschützen und nicht sehen wie ich bei dem Versuch mir selbst zu helfen, verletzt werde. Dass ich statt zu kämpfen, die Fähigkeit besitze sich mich so gut wie ohne Schwierigkeiten mit Drachen zu verständigen, sieht er nicht. Milyana war schon immer die stärkere von uns beiden. Vater will immer noch dass sie auf mich aufpasst, weil sie weiß wie man sich wehrt. Er traut mir nicht zu alleine kämpfen zu können, Milyana schon. Er glaubt auf die Drachen sei kein Verlass. Meine Schwester hingegen denkt ich könne genauso stark sein wie sie auch wenn sie es nicht sagt, sie zeigt es mir. Sie bringt mir heimlich bei mit Äxten, Schwertern, Speeren und so weiter umzugehen, ist geduldig mit mir auch wenn ich meiner Meinung nach ein hoffnungsloser Fall bin.
„Muss das denn sein? Du weißt genau dass ich das nicht hinbekomme. Wie Vater schon immer sagt: Ich bin zu schwach um wirklich zu kämpfen. Ich hab doch meinen Drachen.“ Naja eigentlich hab ich auch die anderen Drachen aus dem Dorf aber das erwähne ich besser nicht. Sowie ich gerne Milyanas Stärke und Kampfkünste hätte, hätte sie gerne mein Verständnis und meine Bindung zu Drachen.
„Ich weiß das Polarlicht dich um jeden Preis beschützten würde. Aber du kannst dich nicht auf ihrem Rücken festbinden. Was wenn du von deinem Drachen getrennt wirst? Ich kann nicht mein Leben lang auf dich aufpassen und ich möchte sicher gehen dass du dich im Ernstfall verteidigen kannst. Außerdem willst du im Falle eines Kampfes wirklich in einem Versteck hocken und zugucken?”
„Ich weiß, du hast ja recht. Aber ich bekomm das nie so gut hin wie du…”
„Übung macht den Meister, kleine Nervensäge. Und jetzt iss damit wir anfangen können.” Das Brot schmeckt köstlich, Mutter hat die roten Beeren eingebacken die wir vor zwei Tagen von der Nachbarinsel mitgebracht haben. Sobald ich mir das letzte Stück in den Mund geschoben habe, springt Milyana auf, läuft zu ihrem Drachen und kramt in den Satteltaschen. Wahrscheinlich sucht sie ihre Waffen, von denen ich hoffe dass sie sie nicht vielleicht doch vergessen hat.
„Los du faule Nuss, aufstehen.”
„Ist ja gut, ich bin doch schon auf dem Weg”. Obwohl ich viel lieber noch ein wenig fliegen würde. Naja oder mich anderweitig mit Drachen beschäftigen. Ich hasse Kampftraining!
„So, heutige Aufgabe: Verteidigung gegen Schwertkämpfer.”
„Warum gerade gegen Schwerter?”
„Weil ich mit einem Schwert am besten umgehen kann!”
„Achso, ja dann. Ist das Training nicht eigentlich für mich?”
„Ja schon, aber Schaden tut es mir doch auch nicht. Also mal schauen mit welchen Waffen du dich geschickt anstellst und welche eher nichts für dich sind. Dann sehen wir an welchen es sich lohnt Umgang und Kampftechniken zu vertiefen.”
„Okay, womit fangen wir an?”
„Hier, fang”
Plötzlich sehe ich nur noch einen Speer auf mich zurasen und ducke mich instinktiv weg als Polarlicht diesen im Flug mit dem Maul fängt und mir hinhält.
„Danke meine Süße”, sage ich während ich den Speer entgegen nehme und ihr den Kopf streichele. Da reißt mich die Stimme meiner Schwester aus meinen Gedanken.
„Würdest du deinen Drachen bitte sagen dass er sich nicht einmischen soll? Das Training ist für dich, nicht für sie.”
„Ist ja gut, ich hab’s verstanden”, schreie ich genervt zurück. Dieser ich-bin-deine-große-Schwester-und-will-doch-nur-das-beste-für-dich-Ton den sie so gerne drauf hat geht mir langsam auf den Keks. Trotzdem bedeute ich Polarlicht mit einer Handbewegung sich zurückzuziehen und raus zu halten. “Also, versuch einfach mein Schwert mit dem Speer abzublocken und mich zu treffen. Die Klingen hab ich mit Stoff umwickelt damit nur halb so viel schief gehen kann.” Sie grinst mich an, als erwarte sie irgendetwas aber ich bin zu sehr damit beschäftigt zu testen wie ich meine Waffe am besten halte. Schließlich hatte ich noch nie in meinem Leben einen Speer in der Hand.
„Alles klar“, rufe ich mit zitternder Stimme, „ kann losgehen”
So ein Speer ist ziemlich unhandlich aber wie sich herausstellt bin ich gar nicht so untalentiert wie ich vermutet hab. Selbst Milyana ist im Laufe des Speertrainings ins Schwitzen gekommen. Zwar hat sie sich am Anfang noch sehr zurückgehalten aber ich habe immer mehr aus ihr rausgekitzelt, wenn auch noch nicht alles. Aber es ist ein guter Anfang. Nach dem Speer drückt sie mir nun nacheinander eine große Keule und einen eisernen Hammer in die Hand. Die Keule bekomme ich so gerade eben über den Kopf gehoben, beim Hammer hab ich keine Chance. Der rührt sich keine zwei Millimeter. Nun heißt es Schwert gegen Schwert und ich bin gar nicht sooo schlecht, aber meine Schwester kann ich nicht das Wasser reichen. Das Training mit Dolch und Messer kann ich eigentlich gleich bleiben lassen, ich traue mich einfach nicht nah genug an meinen Gegner heran um mit den kurzen Klingen wirklichen Schaden zu verursachen. Mit der Angst läuft es nicht besser. Ich kann sie zwar heben, sogar schwingen aber ich stolpere immer hinterher. Die Wucht der Schwünge reißt mich mit und dabei komme ich den Klingen teilweise gefährlich nahe.
Da ich bis jetzt eigentlich nur Nahkampfwaffen in der Hand gehalten hab, schließen wir mit Pfeil und Bogen ab und Milyana staunt nicht schlecht. Denn ich treffe die Ziele die sie mir zeigt ziemlich gut, auch wenn ich noch Übung brauche, sowie mit jeder anderen Waffe auch. Aber der Bogen hat wirklich am besten abgeschnitten.
„Alles klar, du bist beim Schießen extrem zielsicher, sehr gut, ein Naturtalent. Worüber hast du dir eigentlich sorgen gemacht? Versuch doch mal das Messer zu werfen. Und wenn das klappt, dann versuch es mit dem Speer.“
Dieses Lob geht runter wie Öl und ich werfe Messer und Speere und werde immer zielsicherer, bis Milyana mich irgendwann unterbricht.
„In Ordnung, ich glaube das reicht für heute. Also, meiner Meinung nach bist du mit dem Speer sehr talentiert wenn es in den Nahkampf geht. Mit sehr viel Training könnte das Schwert vielleicht auch was für dich sein, aber ich würde an deiner Stelle lieber mit dem Speer weiter trainieren. Das kannst du auch zwischendurch ohne meine Hilfe tun. Für Entfernungen sind Pfeil und Bogen perfekt. Achja und hab immer ein Messer bei dir.“
„Du weißt wie sehr ich es hasse Waffen bei mir zu tragen!“
„Ja, ich weiß. Aber du solltest vorsichtshalber immer welche dabei haben. Messer sind außerdem nicht nur gut für den Kampf, du kannst sie so gut wie immer gebrauchen. Und solange du mit dem Speer noch nicht so geübt bist, halte dich erstmal nur an Pfeil und Bogen. Sie sind nicht besonders schwer und lassen sich gut verstauen. Wenn wir im Training weiter fortgeschritten sind, solltest du auch einen Speer bei dir tragen, aber auf deinem aktuellen Stand, würde er dich nur behindern.“
„In Ordnung, also zusammenfassend soll ich von nun an Messer, Pfeile und Bogen mit mir tragen und irgendwann kommt ein Speer dazu, richtig?“
„Ja, scheinbar hörst du mir zwischendurch doch mal zu“
„Ja, und das nächste Mal wenn wir uns einen Tag lang vor den Aufgaben drücken beschäftigen wir uns mit dem Drachentraining. Da bring ich dir dann was bei. Und keine Wiederworte, wir wechseln uns ab. Nur Unterricht für mich ist unfair.“
„Na, schön. Einverstanden, aber jetzt lass uns langsam mal nach Hause fliegen. Es ist spät geworden.“
Wir sitzen auf und fliegen auf direktem Weg nach Hause, denn Milyana hat Recht. Es ist wirklich spät, denn uns sitzt der Sonnenuntergang bereits im Nacken.
Eigentlich würde ich mich lieber wieder durchs Fenster reinschleichen, denn jetzt gibt’s Ärger.
Kaum ist die Tür offen höre ich Mutter auch schon schreien: „Junge Damen, wisst ihr eigentlich wie spät es ist?“
Und das ist das Stichwort für meinen Drachen, mich noch einmal aufmunternd anzustupsen und durchs Dachfenster zu verschwinden. Windreiter verkrümmelt sich in seinen Stall neben dem Haus.
„Mutter, tut uns leid, aber….“
„Nichts da aber. Ihr geht jetzt beide sofort ins Bett und Njura:“
„Ja?“
„Wage es ja nicht noch einmal einfach so aus dem Dachfenster zu verschwinden, sonst landet dein Drache draußen im Stall und das Fenster wird zugenagelt. Haben wir uns verstanden?“
„Verstanden“, gebe ich kleinlaut bei.
Mit diesem Versprechen gehen wir hoch, wo wir Polarlicht wartend auf ihrer Schlafstelle vorfinden und legen uns ins Bett.
„Wir haben zwar Ärger kassiert, aber es hat sich gelohnt. Es war ein schöner Tag heute“
Stimmt, es war wirklich schön.
„Gute Nacht Njura. Träum was Schönes. Ich hab dich lieb.“
„Ich hab die auch lieb, große Schwester.“
Und mit blauen Flecken und Muskelkater lasse ich mich in einen verdienten Schlaf gleiten.

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