Drachenstarke Abenteuer Kapitel 3

Als ich am nächsten Morgen meine Augen öffne, steht meine Mutter an meinem Bett und schaut mich an.
„Na, schon wach?“, fragt sie unsanft und verschlafen setzte ich mich auf, nur um Njura in dem gleichen Zustand wie ich auf der Bettkante sitzen zu sehen. „Ihr sollte heute in die Drachenhöhlen. Es ist Brutzeit und das heißt, die Eier müssen gezählt und kontrolliert werden, um sicherzugehen, dass keines kaputt ist. Und dieses Jahr müsst ihr das machen! Also raus aus den Federn.“ Mit einem Ruck zieht sie mir die Decke weg und ich fröstele leicht.
„Morgen“, nuschele ich Njura verschlafen zu, während ich mir den Schlaf aus den Augen reibe und mich auch auf die Bettkante setze. Njura schickt ein „Guten Morgen“ zurück und sieht dabei aus, als würde sie gleich aus dem Fenster springen, vor guter Laune. Dann fühle ich einen warmen Hauch am Rücken, den Windreiter aus den Nüstern ausgestoßen hat. Er fühlt sich so mollig warm an, dass ich am liebsten wieder einschlafen möchte. Mein Kopf wird schwerer und sinkt weiter nach vorn. Leise höre ich, wie Njura aufsteht. Sie schaut zu Polarlicht, aber so früh am Morgen will ich gar nicht darüber nachdenken, was das bedeuten könnte. Ich schließe meine Augen wieder, sehe aber im letzten Moment noch einen blauen Schimmer neben mir, als mich eine eiskalte Luft am Rücken trifft und ich mit einem Schreckschrei aus dem Bett and die Decke springe.
Das nächste, was mich erreicht, ist das schallende Gelächter von meiner sich auf dem Bett kugelnden Schwester und das tiefe Grollen der beiden Drachen. Angepisst gehe ich zu meiner Schwester und haue ihr eine runter – natürlich mit der flachen Hand, immerhin will ich sie ja nicht verletzen. So sehr lachen hab ich sie noch nie gehört, also muss es wohl ein Anblick für die Götter gewesen sein. So genervt ich auch sein kann, bei Njura hält es nicht lange und ich werfe mich auf sie, um sie zu kitzeln. Das funktioniert aber nicht lange, weil unsere Mutter wieder ruft.
„Njura, Milyana! Wo bleibt ihr? Es wird Zeit!“ Schnell schnappen wir uns unsere Umhänge und ich mir unsere Waffen, für den Fall, dass wir angegriffen werden. Oder besser gesagt, zum Training, da wir nicht den ganzen Tag damit verbringen werden, die Höhlen zu kontrollieren. Ich bringe die Waffen zu Windreiter und verstaue sie in seinem Sattel, dann gehe ich wieder rein und setze mich an den Tisch mitten im Raum. Mutter gibt uns beiden Brot und ein bisschen Käse als Frühstück, das wir fast schon runter schlingen, nur um endlich auf unsere Drachen zu kommen. Sofern wir fertig sind, läuft Njura zurück in unser Zimmer, weil Polarlicht da wartet und ich raus zu Windreiter. Der ist zu groß, um ins Haus zu passen. Verdammt, der passt ja kaum in die Ställe, so groß ist der!
Wir sitzen beide auf und dieses Mal bin ich eher in der Luft. Ich drehe mich einmal um, aber die kleine Nervensäge auf Polarlicht ist schon wieder neben mir, bevor ich die beiden hinter mir sehen kann. Windreiter öffnet seinen linken Flügel und versperrt damit Polarlicht den Weg und sie muss abbremsen. Dann wird er wieder schneller. Ich sehe Njura und Polarlicht kleiner werden, bis sie auf die Größe einer Faust geschrumpft sind. Sie scheinen perplex zu sein, was gerade passiert ist und so haben wir einen Vorsprung aufgebaut, wie wir ihn noch nie hatten. Aber es dauert nicht lange, bis die beiden Mädels sich wieder gefasst haben und unser Vorsprung sich zunehmend verkleinert – wie jedes Mal. Langsam geht es mir wirklich auf die Nerven, dass wir immer langsamer sind als die beiden. Ich treibe Windreiter an und der Berg mit den Drachenhöhlen kommt in Sicht. Polarlicht ist nicht mehr weit hinter uns und brüllt, wie um Windreiter aus der Fassung zu bringen. Aber wir haben es nicht mehr weit und Windreiter setzt schon zum Landen an. Aber plötzlich ist Polarlicht schon wieder neben uns! Beim allmächtigen Thor, wie macht sie das nur immer? Glücklicherweise kommen sie zu schnell rein und Njura muss Polarlicht zurückreißen, um niemanden zu verletzen. Dabei schlägt der Drache so stark mit den Flügeln schlagen, dass überall Staub aufgewirbelt wird. Gleichzeitig setzen die Drachen letztendlich zum Landen an, aber ich bin der festen Überzeugung, dass Windreiter zuerst mit seinem Klauen den Boden berührt hat. Und ja, ich weiß, dass das keiner von uns beiden mit Bestimmtheit sagen kann, weil eben der ganze Staub noch in der Luft hängt. Ich klettere mit einem Grinsen von meinem Drachen und sehe Njura mit einem leicht genervten Gesicht absteigen.
„Was ist los, Nju?“ frage ich sie, voller Schadenfreude. Aber sie wird nur wütender.
„Was war das für ein schmutziger Trick vorhin? Wir hätten abstürzen können!“, faucht sie mich an, was mich stutzen lässt. Eigentlich wird sie nicht so schnell sauer, also sollte ich das wohl lieber ernst nehmen.
„Tut mir Leid, Njura. Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen. Aber ich hatte immerhin Vertrauen, dass Polarlicht dich beschützt, so wie immer“, entschuldige ich mich.
„Wie bitte soll sie mich beschützen, wenn wir beide abstürzen?“
Ich hätte ihr am liebsten meinen Sieg unter die Nase gerieben, aber mittlerweile bin ich selbst nicht mehr sicher, wer als erste gelandet ist. Es kann genauso gut ein Unentschieden sein, wie ein Sieg. Um sie nicht noch mehr zu reizen, gebe ich kleinlaut bei: „Lass uns endlich in die Höhlen gehen. Sonst sind wir heute Abend noch nicht fertig und wir müssen morgen nochmal los.“
„Du hast recht. Lass uns das erledigen!“ Gemeinsam betreten wir die erste der unzähligen Drachenhöhlen, die alle irgendwie durch irgendwelche Gänge miteinander verbunden sind und schon blickt uns ein Tödlicher Nadder in die Augen. Seinen stachelbesetzten Schwanz aufgerichtet und die Flügel gespreizt, versucht der Drache, sein Nest zu beschützen und uns zu vertreiben. Ich stehe jetzt zwar vor meiner Schwester, um sie zu beschützen, aber sie drängt sich an mir vorbei. Immerhin weiß ich ja, dass sie besser mit Drachen umgehen kann – und erst recht mit wilden – als ich es je könnte, gehe ich wieder ein paar Schritte zurück und schiebe Njura mit den Worten: „Das überlasse ich liebend gern dir“ vor. Sie schafft es, den Drachen zu beruhigen, sodass er uns vorbeilässt und uns sein Nest zeigt. In diesem liegen zwei Eier und als Njura sie anschaut und untersucht, stellt sich heraus, dass die Eier nicht mehr lange zum schlüpfen brauchen. Sie bedankt sich bei dem Drachen und wir dringen weiter in die Höhlen ein. Zum Glück brauchen wir nur in denen nach Eiern schauen, die die meiste Zeit bewohnt sind, sonst würden wir noch mehrere Tage hier herum streifen. In den nächsten Höhlen sieht es ganz ähnlich aus. Die meisten Eier sind bereits kurz vor dem Schlüpfen, aber wir haben auch einige gefunden, die noch ein oder zwei Wochen brauchen. Als wir jedoch in der letzten bewohnten Höhle ankommen, haben wir nicht damit gerechnet, dass ein Ei verloren gegangen schien. Ich schaue es mir genauer an und erkenne darin das Ei eines Taifumerang. Das ist so selten, dass ich es bisher nur aus unseren Büchern kenne, die wir selbst geschrieben haben. Das Ei eines Taifumerang haben wir erst einmal gesehen, als wir einige Inseln weiter auf Erkundungstour gewesen sind. Auf einer der Inseln haben wir dann das Nest eines Taifumerang gesehen und auch, wie sehr er seine Eier beschützt. Als ich es dann aber aufheben und zurück ins Nest legen will, explodiert es und ich werde ein ganzes Stück zurückgeschleudert. Mit dem Rücken pralle ich an die Wand, aber nicht so schwer, dass ich ernsthaft verletzt wäre. Das gibt wahrscheinlich nur eine große Beule. Und selbst bei der würde Mutter wahrscheinlich schon mehr als besorgt reagieren. Immerhin weiß sie, dass die Drachen mit einer Explosion aus ihren Eiern schlüpfen.
„Bist du in Ordnung, Mily?“, beugt Njura sich zu mir und ich nicke. Mir geht es gut, obwohl die Explosion schon einige Kraft dahinter hatte. Vorsichtig stehe ich auf und Njura hilft mir dabei.
„Ja, alles gut“, gebe ich zurück. „Davon braucht Mutter nichts zu erfahren, klar?“ Sie sollte das wirklich nicht wissen, das ist besser für uns alle. Sonst macht sie sich nur wieder viel zu viele Sorgen und lässt uns die ganze Woche nicht mehr aus dem Haus. Der kleine Drache quietscht einmal kurz laut, dann hören wir ein noch lauteres Brüllen, wie eine Antwort. Wir stellen uns mit dem Drachen an den Eingang der Höhle und sehen, wie ein großer, ausgewachsener Taifumerang auf uns zufliegt. Unser frisch geschlüpfter Freund krabbelt aus der Höhle heraus und springt auf den Rücken seiner Mutter, die vor dem Berg gelandet ist, um ihr Kind zu holen. Sie sieht uns an und verschwindet dann in die Lüfte. In diesem Moment hören wir ein lautes Gebrüll vor den Höhlen.
Plötzlich landen unsere Drachen vor der Höhle und schauen uns eindringlich an. Sofort sind wir wachsam und gucken nach unten und in die Ferne.
„Milyana, da!“, zeigt Njura und ich folge ihrem Finger. Verdammt nochmal, da liegt unser Dorf! Wir haben einen schnellen Blickwechsel, nicken einmal und steigen dann auf unsere Drachen. Die heben sofort ab, ohne zu warten, ob wir uns richtig festhalten. Wir alle wollen nur nach Hause und schauen, was da los ist. Über den Baumwipfeln dringt ein beißender Geruch in unsere Nasen – Feuer!
Als wir über die Bäume hinweg sind, sehen wir es. Unser Dorf, Kantia … es brennt! Und überall rennen unsere Leute umher, auf der Flucht vor Banditen! Ich frage mich, warum sie sich nicht verteidigen, als Windreiter landet und ich aus dem Sattel springe. Die Drecksäcke haben die Waffenkammer in die Luft gejagt! Njura landet neben mir und ich hole die Waffen, die ich heute Morgen noch eingepackt habe, aus den Satteltaschen. Njura reißt mir ihren Speer aus der Hand und ich schnappe mir mein Schwert. Wir drehen uns um … und sehen das schiere Grauen vor uns! Auf dem Marktplatz haben einige Banditen bereits abgeschlachtete Bewohner, Freunde aufgestapelt, als wollten die sie in Brand stecken! Da drehe ich durch und reagiere auf nichts mehr! Das einzige, was ich noch mitkriege, ist, dass ich auf die kämpfende Meute zu renne und auf jeden Banditen, den ich vor Augen habe, einsteche. Ich spüre, wie Windreiter hinter mir her stürzt, gefolgt von einer schreienden Njura, die mich beide aufhalten wollen. Njuras Worte verstehe ich nicht, ich sehe nur noch Blut und die getöteten Banditen! Windreiter stellt sich mir jetzt in den Weg und versucht, mich zu packen, aber ich bin schneller und laufe unter seinem Bauch her auf den nächsten Angreifer zu! Mein Drache versucht immer wieder, mich zu erwischen, aber ich lasse mich nicht fassen! Ein Wort rast mir immer wieder durch den Kopf: RACHE!

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